Vor 4 Monaten startete das neu gegründete Institut für nachhaltige Wassersysteme (inwa) an der Hochschule Hof seine Arbeit. Unter seinem Dach haben sich die Forschungsgruppen „Wasserinfrastruktur und Digitalisierung“, „Photonik und Wasser“, „Nachhaltigkeit und Projektmanagement in der Wasserwirtschaft“ sowie „Ressourceneffiziente Lebensmittelproduktion“ zusammengefunden und setzen sich für eine nachhaltige und ganzheitliche Auseinandersetzung mit dem wichtigsten Lebensmittel, dem Wasser, ein. Prof. Günter Müller-Czygan gibt als Leiter des „inwa“ Auskunft über den Stand der Entwicklung und erste Projekte.
Herr Prof. Müller-Czygan, wie ist der Stand der Neustrukturierung?
„Auch wenn die Kolleginnen und Kollegen in den Forschungsgruppen derzeit noch räumlich über verschiedene Gebäude verteilt sind, arbeiten wir eng miteinander zusammen und stimmen uns in vielen inhaltlichen und organisatorischen Aspekten rechtzeitig ab. Seitens der Hochschulleitung wurden uns mittlerweile die erforderlichen Mittel für die Institutsorganisation bewilligt, dafür noch einmal herzlichen Dank. Nun können wir die personelle und materielle Ausstattung des Instituts vornehmen. Ebenfalls konnten wir bereits ein regelmäßiges Treffen der Mitarbeitenden einrichten. Hier berichtet die Institutsleitung über Neuigkeiten und die Kolleginnen und Kollegen berichten über ihre Projekte und präsentieren ihre Ideen zur Institutsweiterentwicklung. Mein persönlicher Dank gilt an dieser Stelle den Leiterinnen und Leitern unserer Forschungsgruppen sowie allen Kolleginnen und Kollegen, die mir als neuem Institutsleiter ihr Vertrauen schenken.“
Wie viele Mitarbeitende arbeiten für das neue Institut und welche Aufgaben haben sie?
„Die Institutsarbeit wird unterstützt durch eine Forschungskoordination sowie eine Assistenz – die Stellen werden offiziell sukzessive besetzt ab dem 01.09.2023. Schwerpunkt dieser Funktionen ist einerseits die Organisation der formalen Institutsabläufe, anderseits die Unterstützung der Forschungsgruppen bei Fördervorhaben sowie die Identifizierung laufender Fördervorhaben und neuer Förderschwerpunkte. Dazu kommt in Kürze eine auf 1 Jahr befristete Stelle für das Thema Wasserautarkie – hier wird sich die noch auszuwählende Person um die Potenziale der Wasserressourceneffizienz und -wiederverwendung an der Hochschule kümmern und Umsetzungsvorschläge erarbeiten. Weitere Unterstützung erhalten wir im Laufe des Jahres zudem im Bereich Kommunikation. Erwähnen möchte ich zudem, dass sich die Forschungsgruppenleiter regelmäßig eng miteinander abstimmen und somit das inwa eine deutliche Repräsentanz der Forschungsgruppen darstellt.“
Haben Sie den Eindruck, dass die neue Gliederung bereits intern und extern – zum Beispiel in der Wirtschaft – angekommen ist?
„Aus den bisherigen Gesprächen habe ich wahrgenommen, dass insbesondere die Partner der Region aus Industrie und Kommune die Aufteilung des alten Instituts für Wasser- und Energiemanagement zur Kenntnis genommen haben und auch gut nachvollziehen können. Bislang gab es dazu nur positive Rückmeldungen, gerade vor dem Hintergrund der Wasserprobleme infolge des Klimawandels. Man freut sich, dass an der Hochschule Hof eine deutlich sichtbare Wasserexpertise existiert, dies wird auch durch eine zunehmende Kontaktaufnahme mit dem inwa mit unterschiedlichen aktuellen Fragestellungen bestätigt.“
Ungebremst hoch ist die Forschungstätigkeit: Unter anderem gibt es wohl gleich drei neu bewilligte Projekte, die in den Startblöcken stehen. Wobei geht es dabei genau?
„Im weitesten Sinne befassen sich alle drei neuen Vorhaben mit innovativen Maßnahmen zur zukünftigen Wasserressourcensicherung. Hierbei geht es um die Entfernung von sogenannten Spurenstoffen aus dem Wasser, um z. B. gereinigtes Abwasser in speziellen Fällen als Ersatz für teures Trinkwasser einzusetzen.
- Im Vorhaben „Rubin – PhoTech“, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, befasst sich die Forschungsgruppe „Photonik und Wasser“ unter der Leitung von Prof. Dr. Tobias Schnabel mit der Weiterentwicklung von Photokatalysatoren durch additive Fertigung und neue Beschichtungssysteme. Hier beschreitet Prof. Schnabel neue Wege zur Entfernung von Schadstoffen aus Wasser und Luft mittels speziell beschichteter Glaskugeln, die alleine durch Sonneneinstrahlung eine chemische Reaktion auslösen, um Schadstoffe abzubauen. Während die allermeisten Verfahrenslösungen zur Entfernung sogenannter Spurenstoffe (z. B. Medikamentenreste) viel Energie benötigen, ermöglicht die solare Photokatalyse eine nahezu energiefreie Schadstoffreduzierung.
- Die anderen beiden Projekte „ReUse“ und „IntelliFluQs“ gehören zu meiner Forschungsgruppe „Wasserinfrastruktur und Digitalisierung“. In „ReUse“, gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und der Oberfrankenstiftung, geht es um die digitale, intelligente Vernetzung unterschiedlicher Verfahrenslösungen zur Entfernung von Spurenstoffen mit dem Einsatz erneuerbarer Energien. Derzeit arbeiten Steuerungen in Abwasserverfahren unabhängig von der Verfügbarkeit an Energie, insbesondere wenn erneuerbare Energien eingesetzt werden. Anhand einer Versuchsanlage soll im Realeinsatz auf der Kläranlage Scheid der Stadt Waldeck am Edersee (Nordhessen) untersucht werden, wie abwassertechnische Verfahrensprozesse so gesteuert werden können, damit die verfügbare (erneuerbare) Energie optimal genutzt werden kann und im Idealfall die Energieversorgung zu 100 % durch erneuerbare Energien möglich wird. Hierbei kommen auch Batteriespeicher zum Einsatz.
- Das Vorhaben „IntelliFluQs“ wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klima im Rahmen des ZIM-Mittelstandsprogramms gefördert. Hierbei wird ein neuartiger Steuerungsbaustein für abwassertechnische Verfahrensstufen zur Entfernung von Spurenstoffen entwickelt, der mithilfe von Künstlicher Intelligenz gezielt unterschiedliche Reinigungsergebnisse einstellen kann. Derzeit werden solche Verfahrensstufen so eingestellt, dass ein maximales Reinigungsergebnis erzielt wird, was entsprechend viel Energie benötigt. Wie erwähnt, erwarten wir eine starke Zunahme im Bereich der Abwasserwiederverwendung. Für die verschiedenen Verwendungszwecke muss aber nicht immer die gleiche Wasserqualität bereitgestellt werden. Wird gereinigtes Abwasser z. B. zur Reinigung von Kanalsystemen benötigt, ist eine geringere Reinigungsqualität erforderlich, als wenn das Wasser zu Bewässerungszwecken genutzt wird. Der neue Steuerungsbaustein berechnet auf Basis von Daten der Abwasserwiederverwender, welche Abwasserqualität notwendig ist, stellt auf diese Zielgröße den Verfahrensprozess ein und „produziert“ das gewünschte Abwasser. So wird nur so viel Energie eingesetzt, die auch wirklich benötigt wird.
Darüber hinaus erwarten wir in den kommenden Wochen weitere Förderbescheide aus unseren Antragsaktivitäten der letzten 6-12 Monate.“
Das sind sehr gute Nachrichten. Wo sehen Sie das inwa in einem Jahr?
„Das Thema Wasser drängt sich immer mehr in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten durch die rasante Zunahme der Klimawandelfolgen.
Stand vor knapp 2-3 Jahren nur die Gefahr durch Starkregen/Hochwasser im Fokus der öffentlichen Debatten, nimmt die Sorge um Wasserknappheit infolge immer extremerer und länger anhaltender Trockenphasen stark zu. Mit den vorgestellten neuen Projekten setzen wir einen wichtigen Punkt, wenn es um die Wasserressourcensicherung im Zuge der Klimawandelanpassung geht.
Prof. Günter Müller-Czygan
Ein anderer Aspekt in Bezug auf Wasser ist die Sicherung unserer Grundlagen für eine ressourcenschonende Lebensmittelproduktion, um die sich Dr. Harvey Harbach in seiner Forschungsgruppe kümmert. Die größte Nachfrage besteht aktuell im Bereich der sogenannten Schwammstadt/-region, hier suchen insbesondere die Kommunen und Städte in unserer Region nach wirksamen Lösungswegen, um mit der Komplexität der Folgen der Wetterextreme umzugehen. Prof. Dr. Manuela Wimmer, Leiterin der Forschungsgruppe „Nachhaltigkeit und PM in der Wasserwirtschaft“ und ich bereiten aktuell die Gründung eines neuen Kompetenz- und Transferzentrums „Schwammregion“ vor, was erstmals nachhaltige und ganzheitliche Lösungen für den Umgang mit Wetterextremen im Fokus hat, inkl. der Entwicklung neuer Analyse- und Planungsmethoden. Vor dem Hintergrund dieser Aspekte erwarte ich, dass das inwa in einem Jahr eine besondere Rolle in Bezug auf das Thema Wasser und Klimawandel in Bayern und darüber hinaus einnehmen kann.“
Vielen Dank!